Morgens um acht ... Fred Timm
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Billiger Anzug, Aktentasche und der Tag wird lang und hart.
Abschätzig, mitleidig streifen mich Blicke, doch ich hab denen etwas voraus:
Sie fahr´n g´rad zur Arbeit, und ich fahr nach Haus.
Bin voll wie ein Eimer, ´ne Fahne wie`n Russe,
das Hirn von Tabak und Bier aufgeweicht.
Zum Glück fahren ab sieben schon Bahnen und Busse,
für ein Taxi hätt´ mein Geld nicht mehr gereicht.
Hab wieder einmal durchgemacht, die ganze Nacht.
Die Dauerwellen-Tussi, die neben mir sitzt, ist sicher eine von diesen Frauen.
die morgens zwei Stunden eher aufstehen, um sich Schminke in die Fresse zu hauen.
Doch es nützt ihr wenig, die Augen sind müde, da reißt auch rouge nix mehr raus.
Sie fährt g´rad zur Arbeit, und ich fahr nach Haus.
Gestern beim „heute-journal“ dachte sie schon an morgen,
da holte ich mir g´rad vom Automaten Geld
und als im Bett ihr Freund versucht hat, es ihr zu besorgen,
hab ich mir g´rad den ersten Longdrink bestellt.
Und während sie unbefriedigt einschlief, hab ich auf´´m Tisch getanzt.
Die Leute morgens um, acht in der U-Bahn haben neun lange Stunden vor sich.
Halbe Stunde Mittagspause, drei Wochen Urlaub, ganz, ganz anders als ich :
Hab kein geregeltes Einkommen, keinen Bausparvertrag, doch wann ich arbeite, such ich mir aus.
Heute schon mal gar nicht, ich schlaf´ erst mal aus.
Die Leute fahr´n zur Arbeit, und ich fahr nach Haus.
20. Apr, 16:59